*Geboren in Kempten im Allgäu

*Besuch der Grundschule in Kempten

*Umzug der Familie nach Nürnberg

*Besuch des Labenwolf-Gymnasiums

*Abitur im Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Zweig

*Studium von Kunst/Psychologie/Pädagogik in Nürnberg/Erlangen/Würzburg

*verheiratet, ein Sohn

*36 Jahre als Beamtin im Bayerischen Staatsdienst

*Künstlerin

*Buchautorin

*Unfreiwilliges vorzeitiges Ende des Schuldienstes-beschrieben im Brief an Herrn Seehofer:

 

Brief an Horst Seehofer:

 

 Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

 

 der im Folgenden beschriebene Vorfall an einer Hauptschule in Nürnberg bedeutete für mich vor drei Jahren das berufliche Aus.

 Vorausgegangen waren schon einige andere Vorfälle, wie ein Kieselsteinschuss mit einer Steinschleuder direkt neben das Auge, diverse andere Bedrohungssituationen, etliche davon in außerordentlich dramatischen 13 Jahren an einer Gesamtschule. Schließlich wurde ich dann in besagter „Ethik“-Stunde von mehreren muslimischen Jugendlichen „Scheißjude“ genannt, mit dem Zusatz „Wir hassen Juden“.

 Wer nicht bereit ist, sich immer wieder neuen Problemsituationen im Zwischenmenschlichen zu stellen, flexibel auf immer neue Anforderungen zu reagieren, muss nicht ausgerechnet Lehrer werden. Diese Einsicht und eine robuste Gesundheit, sowie der Vorsatz, mich niemals unterkriegen zu lassen, haben mich 37 Jahre im Schuldienst überstehen lassen, die mich insgesamt durch alle Jahrgangsstufen, durch beinahe alle Unterrichtsfächer und etwa 30 Schulen (und 30 Kollegien!) und ungezählte Klassen geführt haben. Mein unerschütterlicher Vorsatz bis 65 zu arbeiten, fand ein unrühmliches Ende.

 

 Das Grundproblem in der Schule ist immer das selbe: Problematisch ist nicht das, was jeweils passiert, sondern wie damit umgegangen wird. Und problematisch wird es heute oft in dem ungeheueren Spannungsfeld von höchst unterschiedlichen Personen, in das wir uns jeden Morgen begeben.

 Da sind 25 Schüler (oft aus 10-15 Herkunftsländern), mit jeweils höchst unterschiedlicher Auffassung davon, was Schule und Bildung zu sein haben, die dazugehörigen Eltern mit jeweils höchst unterschiedlicher Auffassung davon, was Schule und Bildung zu sein haben, zahlreiche Kollegen mit jeweils höchst unterschiedlicher Auffassung davon, was Schule und Bildung zu sein haben, die Schulleitung, das Schulamt, alle Regierungsbeamten, alle Staatssekretäre, ungezählte Bildungsbeauftragte, Bildungsexperten, Kultusminister, Integrationsbeauftragte, dazu Hilfspersonal wie Sozialpädagogen und Schulpsychologen, und dann Psychiater, zu denen die Kinder müssen, weil irgendwas nicht funktioniert, Lehrerverbände und Gewerkschaft. Es fehlt überall am kleinsten gemeinsamen Nenner, am Konsens. Alle haben eine höchst unterschiedliche Auffassung von Schule, Bildung, Erziehung, der Lehrerrolle.

 In diesem Chaos, aus dem ich reichlich schildern kann, vom Bodensatz des Bildungswesens, der Hauptschule/Mittelschule, kommt es dann zu solchen Vorfällen.

 Was danach passierte, umfasst mittlerweile zwei dicke Leitzordner, ließ mich - obwohl pumperlgesund und arbeitswillig - bei einem Amtsarzt landen (einem Internisten und Umweltmediziner), der befand, dass man derlei Beleidigungen, wie auch „Fotze“, „Schlampe“ und dergleichen an sich abgleiten lassen müsse, weil das zum Beruf einfach dazugehöre.

 Weil ich das aber gar nicht finde, sondern mich gern am Grundgesetz orientiere, wonach alle Menschen gleich seien und ihre Würde unantastbar, befand er mich für psychisch defekt. Ich wurde zwangsweise in den Ruhestand geschickt.

 Dass Amtsärzte und Psychiater in Bayern eine spezielle Rolle spielen, wissen wir seit dem Fall  Mollath.

 Dass derartige Strategien, mit denkendem, kritischem Lehrpersonal umzugehen und sich dessen zu entledigen, nicht zukunftsweisend sein können, zeigen uns aktuelle Krankenstände (beispielsweise Berlin, wo ständig 1500 Lehrer langzeiterkrankt sind) und der dauernde Lehrermangel, die Tatsache, dass viele Schulleiterstellen in Ermangelung von Bewerbungen heute nicht mehr besetzt werden können, sowie die Tatsache, dass die ungeheueren Bildungsaufwendungen oft genug verpuffen, denn jeder 10. Schüler in Bayern schafft keinen Abschluss (in Nürnberg jeder 11.).

 

 Weshalb ich Ihnen nun schreibe?

 Vor kurzem war zu hören, wie etliche Mitglieder des Landtages, hauptsächlich aus der CSU, das Familieneinkommen geschickt aufzubessern wussten. Auch der Name unseres Kultusministers war darunter, der mir, nachdem ich unfreiwillig in den vorzeitigen Ruhestand geschickt worden war , was bei mir zu einer monatlichen Mindereinnahme von ca.1000 € (Differenzbetrag von Einkommen zur Pension) führte .... schlussendlich durch einen seiner Sekretäre mitteilen ließ, dass das Kultusministerium mit mir nichts mehr zu tun haben wolle.

 Meine erste Reaktion auf o.g. Bereicherungsaffäre: Da konnte man ja praktischerweise gleich einsetzen, was man bei mir und anderen eingespart hat!

 Ich wurde unehrenhaft und ohne jeden Abschied aus einem verdienstvollen Berufsleben, das mir ungeheuer Spaß gemacht hat, denn ich war sehr gerne Lehrerin, mit der Bezeichnung „Scheißjude“ von Migranten und danach von Vertretern aus dem gesamten aufgeblähten Bildungsapparat wie Dreck am Absatz weggetreten.

 Auch der Petitionsausschuss des Bayerischen Landtages, an den ich mich auf Empfehlung gewandt hatte, segnete dieses Vorgehen als nicht zu beanstanden ab.

 

Ausschnitte aus der Bayerischen Verfassung

*Artikel 119: Rassen- und Völkerhass  zu entfachen, ist verboten und strafbar.

*Artikel 131: Oberste Bildungsziele sind Ehrfurcht vor Gott, Achtung vor religiöser Überzeugung und vor der Würde des Menschen, Selbstbeherrschung, Verantwortungsgefühl, Hilfsbereitschaft und Aufgeschlossenheit für alles Wahre, Gute und Schöne. Die Schüler sind im Geiste der Demokratie, in der Liebe zur bayerischen Heimat und zum deutschen Volk und im Sinne der Völkerversöhnung zu erziehen.

 

Es ist wohl an der Zeit, die Verfassung an die gelebte Realität der „Menschen in unserem Land“ anzupassen, die so ganz anders aussieht, als die Bildungsexperten sich das gern vorstellen.

 

 Mein Fall kann so nicht abgeschlossen sein. Ich suche noch das passende offene Ohr, um meine volle berufliche Rehabilitation, eine Streichung des amtsärztlichen Gutachtens und eine angemessene Entschädigung für meinen Verdienstausfall zu erreichen.

 

Über die Einladung zu einem Gespräch würde ich mich freuen. Ihre Antwort erbitte ich persönlich, nicht durch einen Sachbearbeiter, so wie auch ich mein Schreiben persönlich in der Staatskanzlei abgebe.

 

 

Mit freundlichen Grüßen                                                                    10.5.2013

   

      Kristina Kause

 

 

 Nachtrag: Das Vorgehen des Amtsarztes zu beurteilen, der im Auftrag einer Behörde handelt, der dazu von ihr Weisung entgegennimmt, wie das amtsärztliche Zeugnis zu formulieren sei, überlasse ich gern den Fachleuten. Im Gespräch sagte ich ihm jedenfalls deutlich, daß ich zu einem Arzt normalerweise gehe, wenn ich gesundheitliche Probleme habe, und daß ich mir dann einen Mediziner meines Vertrauens suche. Die Grundlage für eine objektiv verwertbare Begutachtung war somit nicht gegeben.

 

Mein Fall liefert Stoff für vielerlei Betrachtungen über die Mängel in unserem gesamten Bildungswesen, für das völlige Alleingelassensein der Lehrer vor Ort im oftmals multikulturellen Chaos, über die Feigheit von Schulverwaltungspersonal und Regierungsbeamten, die wegsehen, weil sie einem Handlungszwang ausweichen wollen, oder einfach in Ermangelung von Konsens auf allen bildungspolitischen Ebenen. Bestraft wird so nicht der Täter, sondern das Opfer.

 

Inzwischen weiß ich, daß sich sehr viele Lehrer im etwas vorgerückten Alter mit den Verhältnissen nicht mehr arrangieren wollen und freiwillig zum Amtsarzt gehen, der ihnen dann irgend etwas Psychisches andichtet, um sie aus dem Verkehr zu ziehen. Gehört das zu seinen ärztlichen Aufgaben?

 

Es kann nicht Aufgabe eines Mediziners sein, zu selektieren. Die Ausweitung zu den Selektionen im 3. Reich sind fließend, abhängig von den Machthabern, den Auftraggebern. Er sollte sich vielmehr gemeinsam mit den Regierungsbeamten anderer Bereiche um eine Änderung der Verhältnisse in den Klassenzimmern kümmern. Das ginge aber nur, wenn alle schulischen und bildungspolitischen Kräfte sich zusammentun und gemeinsam nach Lösungen suchen.

 

Realität ist: Versucht ein Lehrer, sich Gehör zu verschaffen, wird sein Anliegen von ungezählten Sachbearbeitern herumgereicht, die dann nach Wochen oder Monaten Unverbindliches antworten oder auch gar nicht reagieren. Die Verantwortlichen erreicht er nicht.

 

 So wird der Mangel immer weitergeschleppt, die unerträglichen Verhältnisse in den Klassenzimmern münden in die zunehmend sich in Quantität und Qualität verschlechternden Schulabschlüsse, in nicht zu besetzende Lehrstellen, in Fachkräftemangel, in nicht studierfähige Abiturienten, in verflachendes schulisches Niveau. Auch die finanziellen Folgen der Verschleppung dieser Misere sind für die Gesellschaft skandalös.

 

 Und: Der Schulleiter fragte mich nach meiner Berichterstattung damals, ob ich denn Jüdin sei. Die Frage nach Jude oder Nichtjude hatten wir schon einmal. Ich habe sie bewußt bis heute offen gelassen.

 

Das alles geschah in Nürnberg, der Stadt des Friedens und der Menschenrechte. Obwohl mein Brief inzwischen von vielen Seiten an ihn herangetragen wurde, u.a. direkt im Landtag, hat Herr Seehofer, der den Bürger als seinen Koalitionär sehen und bürgernah agieren möchte, auf mein Schreiben nie geantwortet.